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„Ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen“

Der Blausteiner Stefan Achazi hat mit Hilfe einer chirurgischen Magenverkleinerung mehr als 100 kg abgenommen

Doch die Geschichte beginnt deutlich früher. Als Kind war Achazi schlank und ein guter Sportler. Er hat nach der Schule eine Ausbildung zum Koch gemacht und ist diesem Beruf bis heute treu geblieben. Ab Mitte zwanzig nahm der junge Mann massiv zu und hatte zu dieser Zeit ein Gewicht von knapp über 100 kg. Immer wieder kämpfte er mit ganz unterschiedlichen Diäten dagegen an. Er verzichtete auf Kohlenhydrate, aß Kohlsuppe oder wurde während eines Krankenhausaufenthalts 14 Tage auf eine Nulldiät gesetzt - kurzfristig nahm er damit ab, aber durch den eintretenden Jojo-Effekt wurde das Gewicht nach jeder Diät nochmal ein bisschen höher.

Stefan Achazi mit Viszeralchirurg Bernd Nasifoglu

Am Ende waren es im Jahr 2015 stolze 200 kg - und Stefan Achazi war klar, dass sich etwas ändern musste. Sein Hausarzt riet ihm schon längere Zeit zur Abnahme, der Alltag fiel ihm immer schwerer. Er konnte immer weniger arbeiten, hatte deshalb Existenzängste um seine Gaststätte: den Lixpark in Blaustein. Wie sollte es dort weitergehen, wenn er - der Seniorchef - im Familienunternehmen immer weniger leisten konnte? Immerhin hing daran nicht nur seine Existenz, sondern auch die seiner Frau und seines Sohnes, die beide im Betrieb mitarbeiten. Diese Sorgen führten zu kurzen Nächten und depressiven Verstimmungen. Auch das Treppen laufen und Atmen fielen ihm zunehmend schwerer. Achazi nahm in dieser Zeit ab auf 175 kg. Drei Jahre später kamen Knieprobleme dazu, schnell war klar, dass beide Knie einen Ersatz benötigen. Um die Haltbarkeit der Prothesen zu verlängern, bestanden die Kniechirurgen einer Ulmer Klinik auf einer Gewichtsreduzierung auf unter 130 kg.

Doch dann kam Corona und damit auch der Lockdown. Wie viele andere Menschen auch, hatte auch Achazi in dieser Zeit mit seinem Gewicht zu kämpfen. Die Waage zeigte zu dieser Zeit wieder 188 kg. Zu viel, das war Achazi klar und jetzt war auch der Entschluss da, langfristig etwas zu ändern und sich in die Hände von Experten zu begeben. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er sich mit Blick auf die notwendige Knie-OP mit der Idee einer Magenverkleinerung beschäftigt und Kontakt zu einer Klinik aufgenommen. Nach der ärztlichen Beratung hatte er aber kein gutes Gefühl. Auf Grund dessen hat er sich zunächst gegen diesen Schritt entschieden. Jetzt war dies wieder ein Thema. Über Bekannte wurde er auf die Adipositaschirurgie im Alb-Donau Klinikum Ehingen aufmerksam.

Er nahm im Februar 2021 am monatlichen Infoabend des Adipositas­netzwerks Alb-Donau teil, der damals in Folge der Corona­beschränkungen online stattfand. Schon einen Monat später hatte er einen Beratungstermin bei Bernd Nasifoglu, der als Sektionsleiter für Viszeralchirurgie in den letzten Jahren die Adipositaschirurgie auf- und ausgebaut hat. „Hier habe ich mich sofort sehr gut aufgehoben gefühlt und Vertrauen gehabt. Vom ersten Moment an habe ich Herrn Nasifoglu als einen sehr menschlichen Arzt wahrgenommen, der die Probleme von stark übergewichtigen Patienten wirklich versteht und nicht verurteilt. Weil das Gefühl dieses Mal gepasst hat, fiel dann der Entschluss zur OP. Lange hatte ich Zweifel gehabt, ob ich mit deutlich kleineren Portionen umgehen kann, wie das wird, wenn Familienfeiern anstehen oder in lockerer Runde Alkohol getrunken wird. Jetzt aber war das alles nicht mehr wichtig. Ich wollte ein neues Leben beginnen und fühlte, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt war“. Das sah auch Achazis Krankenkasse so und genehmigte die OP im ersten Anlauf. Durch seinen BMI über 50 musste er nicht das multimodale Konzept durchlaufen. Dennoch ließ er sich von einer Ernährungsberaterin unterstützen und auch auf das Gespräch mit der Psychiaterin verzichtete er nicht.

Die OP wurde für den 23. Juli 2021 geplant - an diesem Tag wurde sein Magen zu einem Schlauchmagen verändert. Durch diesen bariatrischen Eingriff konnte er ab diesem Moment nur noch sehr kleine Portionen essen. Beispielsweise zum Mittagessen 40g Fisch, 1 halbe Kartoffel und zwei Gabeln Gemüse. Ohne Frage eine große Veränderung zu seinem früheren Leben, doch dieses hatte er bereits in der Vorbereitungsphase der OP hinter sich gelassen. „Mir wurde sehr schnell klar, dass die OP nicht das Allheilmittel ist und dass ich meine Ernährung komplett umstellen muss, wenn ich langfristig erfolgreich sein möchte. Gemeinsam mit seiner Ernährungsberaterin ging er diesen Weg sehr konsequent. „Das war ein Lernprozess, statt Weißmehl habe ich mehr auf Haferflocken und Vollkornprodukte gesetzt, statt Fleisch und Wurst kamen nun immer öfter Fisch und vegetarische Gerichte auf den Tisch. Mir wurde auch schnell klar, dass ich vor allem nach der OP stark auf eine eiweißreiche Ernährung setzen muss, deshalb habe ich schon vor der OP damit begonnen“ erklärt Achazi. Nicht ohne Erfolg, denn zum Zeitpunkt der OP hatte er bereits mehr als 30 kg verloren und brachte 154 kg auf die Waage.

Nach der OP ging sein Gewicht kontinuierlich nach unten. Auch, weil er sich sehr konsequent an die Empfehlungen der Ärzte und Ernährungs­berater hielt. Und seinen Lernprozess fortführte. Verarbeitete Wurst strich er komplett von seinem Speiseplan, statt frisch gepressten Säften genoss er auf Grund der Ballaststoffe das Obst und Gemüse wieder roh oder gekocht. Er entdeckte neue Lebensmittel wie Quinoa, Couscous oder Bulgur und auch bei Hülsenfrüchten wie Linsen setzte er jetzt auf weniger deftige Varianten wie einen Linsensalat. Achazi lächelt während er sagt: „Als Koch war ich ja nicht darauf angewiesen, dass jemand für mich kocht und konnte so meine Leidenschaft für meine Gesundheit nutzen.“

Mit jedem Kilo, das sich verabschiedete, wurden die Veränderungen größer. Was zu Beginn teilweise noch ein Verzicht war, vermisste er schon bald nicht mehr. Sein neuer Alltag war aktiver und voller Freude. Als er unter 120 kg war, plante er die erste Knie-OP. Mit 108 kg wurde ihm im April 2022 ein neues Kniegelenk ins linke Knie implantiert. Weder er noch der Chirurg rechneten damit, dass das Gewicht noch deutlich sinken würde und planten daher den zweiten Eingriff für den November. Doch die Schmerzfreiheit im schlimmeren Knie führte dazu, dass Achazi wieder mehr arbeiten und auch Sport treiben konnte. Er kaufte sich ein Fahrrad und ging ins Fitnessstudio. Und ernährte sich weiter sehr bewusst und konsequent. Als im November 2022 sein zweites Kniegelenk ersetzt wurde, staunten die Ärzte nicht schlecht, als ihnen Achazi mit 80 kg entgegentrat. Sein Erfolgsrezept? „Zu 90-95 Prozent lag die Abnahme im Bereich der Ernährung. Ich glaube das würden viele, die abnehmen wollen, anders einschätzen. Der Sport hat dazu geführt, dass ich fitter wurde und meinen Aktionsradius vergrößern konnte, aber für das notwendige Kaloriendefizit war einfach das wichtig, was auf dem Teller landete. Und hier habe ich viel von dem beibehalten, was ich nach der OP verändern musste. Beispielsweise trinke ich nach wie vor nur Wasser und Tee und trenne Essen und Trinken zeitlich.“

Auch mit Stillständen musste Achazi auf seiner Reise mehrfach umgehen. „Das ist im Kopf echt nicht einfach, wenn man schon so kleine Portionen isst und sich trotzdem 2-3 Wochen lang nichts auf der Waage tut. Teilweise lag das sogar daran, dass ich zu wenig gegessen habe und mein Körper eine Notlage erkannte, in der er nichts mehr loslassen wollte. Letztlich ist das reine Kopfsache“.

Sein niedrigstes Gewicht lag bei 77,5 kg - nach Rücksprache mit den Experten war das der Moment, wo er von abnehmen auf halten umstellen sollte. „Auch das war nicht einfach im Kopf, denn es gibt ja im Körper keinen Knopf, mit dem ich das stoppen konnte.“ Er entschied sich, durch mehr Nüsse und Olivenöl in seiner Ernährung die Kalorienzahl leicht zu erhöhen. Seit acht Monaten hält er inzwischen sein neues Gewicht von 80-81 kg.“ Deshalb war es jetzt auch Zeit für die erste Wieder­herstellungsoperation, die seine Krankenkasse genehmigt hat. Die plastische Chirurgin Dr. med. Carola Gieselmann der Chirurgischen Klinik im Alb-Donau Klinikum Ehingen hat bei ihm Anfang August eine große Bauchdeckenstraffung durchgeführt.

Stefan Achazi mit Viszeralchirurg Bernd Nasifoglu

Sein neues Leben hat aber bereits zuvor begonnen. Sein Diabetes mellitus ist weg, er braucht deutlich weniger Blutdruckmedikamente. Seine Existenzängste hat er hinter sich gelassen, er arbeitet wieder voller Elan und hat noch Energie und Kraft, um mit dem Enkelkind auf den Spielplatz oder ins Schwimmbad zu gehen. Seine Frau hat ihm gesagt, dass sie nicht mehr gedacht hatte, dass sie nochmal mit ihm spazieren gehen kann. Heute unternehmen sie wieder Ausflüge, planen ihren Urlaub nach ihren Vorlieben und nicht danach, was mit starken körperlichen Einschränkungen möglich ist. „Früher habe ich nicht mehr in die Sitze der Achterbahn oder Stühle im Café gepasst, das ist alles kein Thema mehr. Ich habe mich insgesamt vier Mal komplett neu eingekleidet und hab mich gefreut, als mir die Verkäuferin im Übergrößenladen acht Monate nach der OP beim letzten Besuch sagte, dass das jetzt die kleinste Größe ist, die sie führen. Ich fahre heute sehr viel mit dem Fahrrad und genieße das. Ich habe einfach ein komplett neues Leben geschenkt bekommen.“

Auch wenn er sehr viel in seinem Alltag und in seiner Ernährung verändert hat, sagt er doch: „Ohne die Schlauchmagen-OP hätte ich diesen Weg im Kopf nicht geschafft. Sie war für mich eine ganz wichtige Starthilfe. Für mich war das die Voraussetzung für den Lernprozess, der die ganzen kleinen und großen Veränderungen in Gang gesetzt hat. Ich würde das sofort wieder machen, denn mit einem so hohen Ausgangsgewicht schafft das kaum jemand alleine. Das Einzige was ich anders machen würde: Ich würde es 5-6 Jahre früher machen.“